The Case Švejk
length: 140 minutes
≫It is strange that the greatest humoristic novel of our century should deal with the most brutal thing we can image: war≪ (Milan Kundera).
Until today, the extent of violence and anarchy inherent in Jaroslav Hašek’s epochal novel was but scantly appreciated or lost in translations and interpretations. The folklore of war proved more popular than its realistic depiction. But what if Hašek were taken literally by choosing his psychological study of the eternal hanger-on – no matter whether of Czech nationality or any other origin – as the starting point for a court case?
Dušan David Pařízek works regularly for leading theatres in Germany, Austria, Switzerland and the Czech Republic and now presents his first production for Wiener Festwochen. In co-operation with the Prague-based ≫Studio der Helden/Studio Hrdinů≪ (Studio of Heroes), he and his international ensemble inquire into recriminations, explanations and justifications for the war that nobody wanted.
It is a day of hearings at the courthouse; the official language is German. On trial: the case of a ≫good≪ soldier…
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Autor: Jaroslav Hašek, Dušan D. Pařízek
Text, Regie und Bühne: Dušan D. Pařízek
Kostüme: Kamila Polívková
Dramaturgie: Roland Koberg
Licht: Krisha Piplits
Regieassistenz und Abendspielleitung: Carl-Christian Fuhr
Dramaturgische Mitarbeit und Protokoll: Sophie “Žofka” Menasse
Ausstattungsassistenz: Anna Brabcová
Mit: Martin Baum, Peter Fasching, Ivana Uhlířová, Jiří Černý, Vladimír Javorský, Gábor Biedermann
≫Merkwürdig, dass der größte humoristische Roman unseres Jahrhunderts über das Grausamste geschrieben wurde, was wir uns vorstellen können, den Krieg≪ (Milan Kundera).
Das Ausmaß an Gewalt und Anarchie, das Jaroslav Hašeks Jahrhundertroman zugrunde liegt, wurde bislang kaum gewürdigt oder ging in Übersetzungen und Interpretationen verloren. Kriegsfolklore war gefragt, nicht Kriegsrealismus. Was aber, wenn man Hašek beim Wort nimmt und sein Psychogramm des ewigen Mitläufertums, gleichgültig ob tschechischer oder anderer Provenienz, zum Ausgangspunkt einer Gerichtsverhandlung macht?
Dušan David Pařízek, der regelmäßig an führenden Bühnen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Tschechien arbeitet, inszeniert erstmals für die Wiener Festwochen. In Zusammenarbeit mit dem Prager ≫Studio der Helden≪ untersucht er mit einem internationalen Ensemble Schuldzuweisungen, Erklärungen und Begründungen für einen Krieg, den keiner wollte.
Es ist Gerichtstag, die Amtssprache ist Deutsch. Gegenstand der Untersuchung: der Fall eines ≫braven≪ Soldaten …
Im Zentrum steht das um ihn herum wirksame Geflecht an Menschen, die zwecks Krieg zusammenarbeiten sollen: neu zusammengeführte Bürger, nunmehr Soldaten, Rechnungsfeldwebel, Einjährig-Freiwillige und auch ein in eine Liebesbriefaffäre verwickelter ungarischer Geschäftsmann (toll: Gábor Biedermann). Ein Blätterwerk der Bürokratie überwuchert den Schnürboden der Halle G im Museumsquartier(Gesetzestexte, Dienstregeln). Ein langer Tisch und Overheadprojektoren markieren darunter das Militärlager in Bruck an der Leitha, welches ein Vorfahre des heutigen Brüssel ist oder jedes anderen multilingualen, multiethnischen Schauplatzes im Europa der Gegenwart. Immer wieder schafft Parízek Stimmungen, in denen unschuldige Sprachspiele plötzlich in deftigen Nationalchauvinismus kippen. Auch aus dem anfänglich politisch korrekten Biegler (“Tschuldigung!”) bricht irgendwann die gut versteckte Abscheu allem Fremden gegenüber heraus. Oder General Fink: “Die Tschechen, diese Tschuschen!”.
Margarete Affenzeller, Der Standard , 12. Juni 2015
Zu Beginn des Stücks meint man sich in eine dramaturgische Landschaft irgendwo zwischen Kafkas „Prozess“ und den Frontabschnitten in Jonathan Littells „Wohlmeinenden“ versetzt. Die Gesetze in dieser Welt sind verschoben, nur Orte wie „Bruck an der Leitha“ bieten Orientierung. Die Vorurteile zwischen den Völkern lässt der Regisseur in drei Sprachen aufeinanderprallen. Tschechisch und Ungarisch muss man dabei allerdings nicht können, um die Botschaften der Texte zu verstehen. Abgründe springen auch über babylonische Klippen. Zum Ende hin steigert sich die Groteske, es erscheint ein Pausenzeichen, Gulasch und Bier werden aufgefahren. Und man weiß nicht, ist jetzt alles zu Ende oder kommt noch was. Tatsächlich, es kommt noch was. Immerhin ein Endspiel, in dem Theater mit intelligenter Regie und großartigen Schauspielern zeigt, dass es vor den Medien der Gegenwart alles andere als kapitulieren muss.
Gerald Heidegger, ORF.at, 12.6.2015
Das Ergebnis ist eine furiose, heutige Abrechnung mit kriegerischer Selbstherrlichkeit, Vorurteilen, Sprachbarrieren und mit einem Europa, das von einer realen Einheit weit entfernt ist. Pařízek und sein Team (es gibt für das “beisitzende” Publikum Bier und Würstel) sorgen meist für einen Gerichtsthriller der Extraklasse.
Peter Jarolin, Der Kurier, 12.6.2015